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Kapitel 5
  Gools Zepter
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In einer Höhle, deren Wände sich dem Auge des Betrachters entzogen, tagte der große Rat. Von allen Seiten kam die Weisen und Hohen des kleinen Volkes. Sie trugen ihre Amtsgewänder, prunkvoll mit allen Schätzen der Berge bestickt. Auf einem Podest vor den Stuhlreihen der Edlen stand Torgs Thron. Als alle Mitglieder des Rates ihre Plätze eingenommen hatten, erschien der König der Kurzen. Torg sah auf seine Fürsten und fühlte sich unwohl. Die Kurzen waren ein freies Volk und er war Gleicher unter Gleichen. Auf dem Thron stand etwas zwischen ihm und dem Rest des Volkes. Die Bürde der Macht lag schwer auf ihm. Er hatte genug damit zu tun seinen Stamm gut zu führen. Doch der Hüter hatte sie gerufen und der Hüter schützte sie vor böser Magie, seit Torg denken konnte.
Das große Tor öffnete sich und die äußere Wache brachte die drei Fremden. Die vermeintliche Bedrohung bestand aus zwei Kindern und einem Bergheiler.

Neben dem Thron flimmerte die Luft wie in der Mittagshitze von Südwiet. Ein weißer Nebel quoll wie aus dem Nichts, formte sich zur Gestalt des Hüters und mit einem seufzenden Luftzug war der alte Mann im Thronsaal angekommen. Die Anwesenden senkten den Kopf zum Gruß. Alle freien Völker der Kurzen verehrten den Hüter seit jeher als Quelle von Weisheit und Schutz. Obwohl die Bewohner der Berge die Zauberei fürchteten, wie jedermann in ganz Wiet, erkannten sie im Hüter die Macht der weißen Magie. Ein kurzes Winken der rechten Hand erschuf einen Polsterstuhl, auf dem sich der Alte mit einem kleinen Stöhnen niederließ.
Der Sessel gab leise pfeifend nach und der greise Hüter wirkte, so tief in den Polstern versunken, noch zerbrechlicher.
Alle im Saal hatten ihre Blicke erwartungsvoll auf die Gestalt im Sessel gerichtet. Es war eine große Unsicherheit zu spüren. Wie würde dieses einmalige Ereignis enden.

Der Zauberer hob die Hand, die Handfläche leicht gewölbt nach unten gerichtet. „Ich sehe ihr habt den Berg erreicht. Es ist lange her, dass dieser Saal mehr als einen Zauberer zur gleichen Zeit sah. Da Durst und Hunger, Kälte und Finsternis euch nicht aufhielten und ihr lebend in diesen Raum gelangtet, denke ich, ihr seit bereit. König und Erster unter vielen. Die Stunde des Kristalls ist gekommen!” Torg schnellte hoch, die Augen weit geöffnet. „Hüter, Herr! Der Kristall ... . Die ganze Macht der Berge! Es sind Kinder! Er wird sie auf der Stelle versteinern.” Olkor blickte zu Yvo. Vorübergebeugt kroch sie mehr und mehr in sich hinein. „Der Kristall ist die Macht des Berges und die erste Prüfung.” „Herr und Hüter der Magie, was erwartest du von uns?”, fragte der Junge. Sein Gesicht war ein Spiegel seiner Angst. Die Spannung in diesem Gewölbe tief unten im Berg war kaum zu ertragen. Jeder, ob Kind, ob Kurzer, wusste um den Kristall der Berge. Er wurde einst geschaffen als Quell der weißen Magie.
Sein Träger durfte nicht einmal an schwarze Magie denken. Das Licht des Steins ließ das Dunkle zu Stein erstarren. Doch auch der Schwache oder Zögerliche würde der unheilvollen Kraft nach einem Wimpernschlag erliegen. Alles in allem eine unerfreuliche Idee dieses gefährliche Kleinod an sich nehmen zu 'dürfen'. Aber, und Magisches hat immer ein 'Aber', dieses kleine Stück Kristall war auch einer der drei Schlüssel des Mart. Ein Schritt zur Macht des Zepters von Gool.
Nur das Zepter konnte die Magie nach Wiet zurückbringen. Der Magier, der es fand und drei Schlüssel besaß, hatte alle Macht seiner Magie.
Es gab sechs Dinge, die das Zepter aufnehmen konnte. Der Kristall der Berge oder das schwarze Auge des Südens fanden in der Blüte an seiner Spitze Platz. Sein Schaft hatte einen schmalen Schlitz. Hier hinein konnte das blaue Blatt vom Baum der stummen Worte oder auch der Kreis der ewigen Mühsal. Unten in die krallenbewehrte Klaue des, sich um den Schaft windenden, Drachen gab man den Apfel aus Olaras geheimem Garten. Es passte aber auch die schwarze Frucht des Riesenwasserwurz, obwohl noch keiner diese Pflanze je gesehen hatte. Was passierte, wenn das Zepter komplett wäre, wusste, wenn überhaupt, nur der Hüter. Fest stand, dass es eine große Bürde war, das Zepter zu tragen. Schon jedes Teil allein, besaß mehr Macht als ein einzelner Mensch besitzen sollte. Die Legenden wussten genau, dass die Vereinigung von Kristall, Blatt und Apfel der weißen Magie die Herrschaft in ganz Wiet bringen würde. Umgekehrt bedeutete Auge, Kreis und Wasserwurzfrucht die Wiederkehr der dunklen Zeiten. Nur was bewirkten alle anderen Varianten? Oder waren sie gar nicht möglich. Entschied das erste Teil, das dem Zepter zugefügt wurde über den weiteren Verlauf der Zukunft? Oder war die Mehrheit entscheidend? War ein Nebeneinander von weißer und schwarzer Magie denkbar? Fragen, die kein Wesen dieser Welt mit Sicherheit beantworten konnte.

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